Alleingeburt

Interview mit Jobina Schenk

Jobina Schenk, geboren 1978, Mutter von drei Kindern. Sie ist Bloggerin, Life Coach, Buchautorin und eine Meisterin der Geburt. Für unseren Blog stand sie uns Rede und Antwort zum Thema Alleingeburt. Kaum ein Thema polarisiert so. Es wirft viele Fragen auf, auf die wir von Jobina interessante Antworten erhielten.


Wie kamen deine Kinder zur Welt?

 

Mein erstes Kind kam sehr schmerzhaft nach einer Geburtseinleitung in einem Geburtshaus zur Welt. Mein zweites und drittes Kind habe ich zu Hause geboren als sogenannte Alleingeburten. Diese waren schmerzfrei und sehr sehr lustvoll.

 

Warum entscheiden sich Frauen für eine Alleingeburt?

 

Oh, ich denke, es gibt viele gute Gründe, sich für eine Alleingeburt zu entscheiden. Das kann zum Beispiel eine vorangegangene negative Geburtserfahrung sein, die eine Frau auf keinen Fall nochmals wiederholen will. Oder sie tut es aus dem Schutz der eigenen Identität und Intimität heraus, weil ihr bewusst ist, dass sie sich vor Fremden nicht entblößen will, keine eindringenden Finger in ihrer Vagina haben will und die Geburt als Teil ihrer schützenswerten Sexualität betrachtet. Es gibt derzeit auch gehäuft Alleingeburten, weil Frauen keine Hebamme für eine Hausgeburt finden. Meine persönliche Hauptmotivation für meine erste geplante Alleingeburt war die Tatsache, dass ich niemals wieder einer Geburtseinleitung zustimmen würde und diesen ganzen Zeitdruck um den errechneten Geburtstermin einfach absurd fand. Ich möchte die Freiheit haben, meine Babys so lange auszutragen, wie sie es brauchen. Das kann bei mir schon mal 300 Tage, statt der üblichen 280 Tage, dauern. Was nützt mir dann eine Hebamme, die mich ab Überschreiten eines Geburtstermins nicht betreuen kann, weil sie dafür keine Versicherung hat? Deshalb plante ich meine Alleingeburten bewusst ohne Hebamme und bewusst ohne Arzt.

 

Woher rührt das Mißtrauen in die Geburtshilfe?

 

Gegenfrage: Woher rührt das Misstrauen in die Natur? Ich vertraue der Schöpfung jedenfalls mehr, als einem künstlich kreierten System. Einem Geburtshilfesystem, welches suggeriert, dass wir „Hilfe“ brauchen. Einem System, welches Leitlinien für die Masse bereithält, obwohl wir Individuen sind. Einem System, das Frauen erst in hilfsbedürftige Lagen bringt, um sie dann mit medizinischen Interventionen zu retten. Einem System, welches natürliche Geburten gar nicht zulässt, da der Einfallsreichtum an Interventionen offensichtlich viel zu gut vergütet wird. Einem System, welches der Oberherrschaft einer Versicherung untersteht. Für mich ist die Geburt ein naturgewolltes Geschenk. Sie ist eine Belohnung für die ausgetragene Schwangerschaft und sollte daher angenehm und freudvoll sein.

 

Welche Vor- und Nachteile birgt die Alleingeburt?

 

Da ich ein freies unabhängiges Wesen bin sehe ich im Alleingebären den größten Vorteil darin, die Freiheit zu haben, vor, während und nach der Geburt das zu tun, was mir gut tut. Kein Stress, kein Termindruck. Keine Organisation. Keine Untersuchungen. Durch das Vorhaben an sich, entwickelst du dich selbst zur Geburtsexpertin und kommst mit den Kanälen weiblichen Wissens in Verbindung. Es ist eine wunderbare Reise nach innen, zu sich selbst. Die Geburt in maximaler Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zu meistern ist ein außergewöhnlicher Schatz, an welchem du dich noch laben kannst, wenn du schon Großmutter bist.

 

Gibt es Nachteile bei einer Alleingeburt?

 

Ja! Du kannst nachher niemanden beschuldigen, etwas falsch gemacht zu haben. Du trägst die alleinige Verantwortung und musst in der Lage sein damit umzugehen.

 

Wie reagierte dein Umfeld auf deine Entscheidung?

 

Vor der ersten Alleingeburt waren die Reaktionen sehr kritisch und verhalten. Es kamen tausend Nachfragen: Bist du dir wirklich sicher? Willst du das wirklich alleine machen? Wie machst du das mit der Nabelschnur? Und, was machst Du, wenn was passiert? Ich habe diese Fragen sehr intensiv genutzt, um meine ganz eigenen Antworten zu finden. Ich habe gelernt, mich nicht mehr von den Ängsten meiner Mitmenschen anstecken zu lassen, sondern ganz bewusst bei mir zu bleiben. Das war eine richtige gute Erfahrung und dafür bin ich meinem Umfeld sehr dankbar. Bei der darauffolgenden Alleingeburt hat mein Vorhaben dann schon niemanden mehr interessiert. Das wurde dann irgendwie „normal“.

 

Wie reagierte dein Partner? Stand er von Anfang an hinter deiner Entscheidung?

 

Er hat das Gebären von Anfang an mir überlassen und mich mental bei meinen Entscheidungen unterstützt. Mein Mann kennt mich sehr gut. Er sieht ja, wie ich mit meiner Weiblichkeit umgehe, wie gut ich meinen Zyklus kenne und die Zeichen meines Körpers wahrnehme. Obwohl er der rationalere Part in unserer Beziehung ist, war ihm bewusst, dass ich über andere Intelligenzen (außer der rationalen Intelligenz) verfüge und er konnte es genießen, durch mich in diesen Kontakt zu kommen. Das erste Wort, was ihm über die Lippen kam, als ich unsere erste Alleingeburt in Händen hielt, war „Majestätisch!“. Durch die Medien hatte ja mein Mann auch ein Bild von Geburten im Kopf, doch diese Alleingeburten lehrten ihn das wahre Potential und das bewusstseinserweiternde Feld, welches sich uns auf wundervolle Weise auftat.

 

Welchen Vorurteilen begegnet man als Frau, die eine Alleingeburt anstrebt?

 

Die Kritiker sagen: "Du bist verantwortungslos, narzisstisch und leidest an Selbstüberschätzung!" Die Befürworter sagen: "Du bist verantwortungsvoll, hast Selbstvertrauen und jede Menge Mut!" Generell sagen Vorurteile ja sehr viel über denjenigen aus, der sie ausspricht. Wir sehen hier an diesem Beispiel, dass dies einfach nur Bewertungen sind. Und diese Bewertungen entsprechen dem subjektiven Befinden des Bewertenden. Wir sollten uns generell bewusst sein, dass jeder Mensch eigene Werte und Befindlichkeiten hat.

 

Wie läuft das mit der Erstversorgung nach der Geburt? Wer macht die U1?

 

Wir haben keine U1 gemacht und eine Erstversorgung war nicht nötig. Wir haben gekuschelt, gestillt und nach dem Auspulsieren die Nabelschnur durchtrennt.

 

Was wäre im akuten Notfall? (Plötzliche Plazentaablösung, und Ähnliches)

 

Ich habe mir die Freiheit genommen, intuitiv zu entscheiden, was ich bei einem Notfall tut würde. Ich hatte keine Notfall-Konzepte. Es gab bei mir keinen Plan B. Es gab nur Plan A und ich habe nur auf das Gelingen fokussiert und nicht auf das Scheitern.

 

Hattest du trotz der selbstbewussten Entscheidung für die Alleingeburt dennoch Zweifel oder Ängste?

 

Und ob! Aber ich habe sie gemeistert! Deshalb habe ich auch „Meisterin der Geburt“ geschrieben, weil ich meinen Mitfrauen die Gelegenheit geben wollte, ihre eigenen Zweifel und Ängste zu meistern. Jenseits des Zweifels wartet nämlich Vertrauen und jenseits der Angst wartet die Liebe auf uns. Und das sind zweifelsohne die schöneren Lebenskonzepte.

 

Würdest du es wieder tun?

 

Auf jeden Fall! Ich wünschte, ich könnte noch viele Kinder auf lustvolle Weise ins Leben gebären.

 

Wie ging es dir nach der Alleingeburt?

 

Ich war fit, erfrischt und wie im Rausch. Später im Wochenbett hatte ich auch ein paar vereinzelte Heultage, aber das darf auch sein.

 

Hat deine Geburtserfahrung auf dein Umfeld abgefärbt? (positiv oder negativ)

 

Teils Teils. Ich gibt Menschen in meinem Umfeld, die sind … sagen wir mal … festgefahren. Sie beharren auf einem Standpunkt, welcher ihrer eigenen Wirklichkeit entspricht und sie sehen keine Veranlassung irgendetwas davon in Frage zu stellen. Aber die offengeistigen Menschen, die, die überhaupt Fragen stellen, BEVOR sie verurteilen, die verstehen die Beweggründe für eine Alleingeburt sehr gut.